Zum Inhalt springen

Die Kunst der Rezepturenformulierung – So kombinierst du Heilkräuter sinnvoll

Durch das Kombinieren mehrerer Heilpflanzen lassen sich Wirkungen gezielt verstärken, Nebenwirkungen abmildern und gleichzeitig mehrere Ebenen des Problems – funktionell, energetisch und konstitutionell – ansprechen. Das macht eine gute Formulierung oft wirksamer als Einzelpflanzen.

In der westlichen Heilpflanzenkunde gibt es verschiedene Ansätze zur Formulierung. Einer davon ist besonders einfach und gleichzeitig hochwirksam: Die Dreiecksformel. Sie ist inspiriert von traditionellen Systemen wie der TCM, Ayurveda und der westlichen Signaturenlehre und wurde von modernen Pflanzenheilkundigen weiterentwickelt.

Was ist die Dreiecksformel?

Die Dreiecksformel basiert auf einem einfachen Prinzip: Du kombinierst drei Arten von Heilpflanzen, die sich in ihrer Wirkung auf das Organsystem ergänzen. Diese Dreiteilung erlaubt es, sowohl Ursache als auch Symptom zu adressieren und gleichzeitig die Balance im System zu bewahren. (Die Ursache kann etwas anderes sein als das Symptom, das dein Körper zeigt. Dein Hautausschlag kann ein Symptom sein, aber die Ursache kann eine träge Verdauung sein. Behandelst du nur die Haut, wird sich dein Symptom niemals ganz bessern.)

  1. aufbauende Pflanzen:
    • Sie unterstützen gezielt das Organsystem, das du ansprechen willst.
    • Sie geben Kraft, nähren, regenerieren oder stimulieren gezielt.
    • Anteil in der Mischung: 70–80 %
  2. ausgleichende Pflanzen:
    • Sie harmonisieren das jeweilige System, ohne es stark zu reizen.
    • Wirken oft sanft adstringierend, schleimhautschützend oder allgemein beruhigend.
    • Anteil in der Mischung: 10–20 %
  3. ausleitende Pflanzen:
    • Sie helfen, Stauungen oder pathogene Faktoren zu beseitigen (z. B. Überschuss, Toxine, Hitze).
    • Fördern Ausscheidung, Entgiftung oder das Abklingen von Entzündung.
    • Anteil in der Mischung: 10–20 %

Du siehst: Es geht nicht darum, möglichst viele Heilpflanzen reinzupacken, sondern gezielt Synergien zu schaffen. Eine gute Formel kann auch aus nur drei Pflanzen bestehen.

Übrigens: Die Methode eignet sich sowohl für Teemischungen, als auch für Tinkturen, Sirupe oder Kräuterweine – je nach Symptomlage und Alltagstauglichkeit.


Schritt-für-Schritt zur eigenen Rezeptur

1. Was willst du erreichen?

Das ist der wichtigste Punkt: Jede Formulierung beginnt mit einem Ziel. Willst du zum Beispiel die Leber stärken, den Schlaf verbessern oder Entzündung im Verdauungstrakt regulieren? Benenne das Ziel klar. Nutze die Energetik, um das Problem genau zu beschreiben. Willst du Hitze kühlen, überschüssige Feuchtigkeit trocknen? Profis können auch das Dosha der Person zu Rate ziehen, besonders wenn die Formel über eine längere Zeit verwendet werden soll, z.B. bei chronischen Problemen.

Typische Anfängerfehler sind z. B. zu viele Pflanzen in einer Mischung oder das Fehlen eines klaren therapeutischen Ziels.

2. Welches Organsystem steht im Zentrum?

Je klarer du das Ziel hast, desto besser kannst du das passende Organ, System oder Gewebe wählen: Nervensystem, Haut, Leber, Nieren, Lunge, Schleimhäute etc. Wähle Pflanzen, die eine besondere Affinität zum Zielorgan oder -gewebe haben.

3. Wähle deine aufbauenden Pflanzen

Diese Pflanze(n) sollten spezifisch auf das Zielorgan wirken und spielen die Hauptrolle der Formulierung. Ideal sind Pflanzen, die tonisierend, stimulierend, regenerierend oder adaptogen wirken. Oft auch Pflanzen mit besonderer Affinität zu einem System, die die Funktion, Aktivität oder Energie verbessern.

4. Finde eine ausgleichende Pflanze

Diese Komponente bringt Balance in die Mischung. Achte darauf, ob dein Zielgewebe eher trocken/feucht, angespannt/entspannt oder kalt/heiß ist – die normalisierende Pflanze kann hier ausgleichen.

Diese Pflanzen können auch eine normalisierende Wirkung auf das Organsystem selbst haben.

5. Nutze gezielt klärende Pflanzen

Diese Pflanzen entfernen gezielt Hindernisse einer gesunden Organfunktion und katalysieren die Wirkung der aufbauenden Kräuter.

Das können ausleitende Pflanzen sein, die verdauungsfördernd/abführend, antimikrobiell, krampflösend, schweißtreibend oder urinstimulierend wirken.

Oder Pflanzen, die als Katalysten wirken indem sie den Kreislauf anregen, Entgiftungswege frei machen oder den Stoffwechsel hichfahren.

6. Dosierung und Zubereitung

Die genannten Prozentzahlen kannst du in Gramm oder Teelöffeln umrechnen. Bei Teemischungen gilt: 1 TL = ca. 1 g. Für Tinkturen funktioniert das Prinzip genauso, nur dass du die Tropfen oder ml anteilig berechnest.

Geschmack zählt! Wenn deine Mischung unangenehm ist, trinkst du sie nicht regelmäßig. Nutze geschmacklich milde oder angenehme Pflanzen wie Melisse, Lindenblüte, Fenchel oder Apfelminze, um die Mischung geschmacklich auszugleichen.


Beispiel: Rezeptur für nervösen Stress mit Erschöpfung

In Zeiten von Dauerstress, innerer Anspannung und geistiger Erschöpfung braucht unser Nervensystem Unterstützung – aber bitte auf sanfte, nachhaltige Weise. Mit der Dreiecksformel kannst du dafür eine durchdachte Heilpflanzenmischung erstellen.

  • Ziel: Stressresilienz stärken, Nervensystem beruhigen, Schlaf verbessern
  • Organsystem: Nervensystem, Nebennieren

1. aufbauende Pflanzen – Haferstroh & Ashwagandha

Haferstroh (Avena sativa) ist ein klassisches Nerven-Tonikum der westlichen Kräuterkunde. Es nährt, baut auf und hilft bei geistiger Erschöpfung, Reizbarkeit und Stresszuständen. Besonders hilfreich ist Haferstroh, wenn der Stress dich „ausgelaugt“ hat – also wenn das System nicht heiß, sondern eher schwach, leer oder kalt wirkt. Es ist reich an Mineralien, beruhigt sanft und wirkt gleichzeitig stärkend – ohne zu sedieren.

Ashwagandha (Withania somnifera), auch bekannt als Schlafbeere, stammt aus dem Ayurveda. Es wirkt adaptogen, also regulierend auf das Stresssystem, insbesondere die Nebennieren. Es hilft bei Schlafproblemen, nervöser Erschöpfung und Reizbarkeit, besonders wenn Erschöpfung mit einem Gefühl von Überforderung oder „ständigem Alarmzustand“ einhergeht.

Alternative Pflanzen:
Wenn du Ashwagandha nicht nutzen willst oder kannst (z. B. in der Schwangerschaft oder bei starker Hitze-Konstitution), kannst du statt­dessen Brennnesselsamen einsetzen. Diese sind ebenfalls nährend, aufbauend und stärken die Nebennieren und das Blut. Oder du greifst zu Schafgarbe, wenn der Fokus mehr auf emotionaler Dysregulation mit hormoneller Beteiligung liegt.

2. ausgleichende Pflanzen – Melisse & Lindenblüten

Melisse (Melissa officinalis) ist eine klassische Pflanze bei nervöser Unruhe, Reizdarm und Herzklopfen. Sie wirkt entspannend, stimmungsaufhellend und leicht kühlend – ideal bei nervöser Hitze oder wenn Stress „aufs Herz schlägt“.

Lindenblüten (Tilia spp.) sind wunderbar ausgleichend: Sie beruhigen die Nerven, lösen sanft innere Anspannung und unterstützen einen ruhigeren Schlaf. Gleichzeitig wirken sie leicht schweißtreibend und helfen, wenn emotionale Anspannung sich im Körper „festgesetzt“ hat. Lindenblüten sind besonders geeignet für sensible, reizbare Menschen mit einem „weichen Kern“.

Alternative Kräuter:
Statt Melisse kannst du Kamille verwenden, wenn zusätzlich Magen oder Verdauung stark betroffen sind. Oder Malve, wenn eine zusätzliche Schleimschicht und sanfte Kühlung gebraucht wird.

3. klärende Pflanzen – Lavendel & Engelwurz

Lavendel (Lavandula angustifolia) ist ein Pflanzen-Allrounder. Er beruhigt, wirkt antidepressiv und hilft, Spannungen zu lösen – sowohl mental als auch körperlich. Als klärende Pflanze bringt er Stagnation zum Fließen: Wenn der Kopf ständig rattert oder du vor lauter Grübeln nicht schlafen kannst, hilft Lavendel, das Gedankenkarussell zu stoppen.

In kleiner Dosis ergänzt Engelwurz (Angelica archangelica) die Mischung hervorragend. Sie stärkt das Zentrum, wirkt erdend und durchwärmend – genau richtig bei „Stress mit Kältegefühl“, Appetitlosigkeit oder nervöser Anspannung im Bauchraum. Außerdem fördert sie sanft den Kreislauf und hilft, Spannungen zu vertreiben.

Alternative Pflanzen:
Wenn du keine Engelwurz zur Hand hast, kannst du Rosmarin in kleiner Dosis verwenden – besonders bei stressbedingtem niedrigen Blutdruck oder Kreislaufschwäche. Wenn emotionale Hitze im Vordergrund steht, eignet sich Passionsblume als klärende Komponente mit eher kühlender Tendenz.


Zusammensetzung (Beispiel für Teemischung):

  • Haferstroh: 3 TL
  • Ashwagandha: 2 TL
  • Melisse: 1 TL
  • Lindenblüten: 1 TL
  • Lavendel: 0,5 TL
  • Engelwurz: 0,5 TL

Haferstroh ist nährend und leicht kühlend, Ashwagandha wirkt wärmend und stärkend, Melisse ist ausgleichend und leicht kühlend, Lavendel hilft bei Spannung durch seine entspannende Qualität. Die Mischung ist somit energetisch ausgewogen. Bei längerer Anwendung wird die Mischung keine größeren konstitutionellen Verschiebungen hervorrufen.

Falls du die Mischung anwenden willst, frage ggf. vorher deinen Arzt/Ärztin oder Heilpraktiker:in.

Ziehzeit: 10–15 Minuten mit ca. 90 °C heißem Wasser. 2–3 Tassen täglich über mehrere Wochen trinken.


Fazit

Die Dreiecksformel ist ein praktisches Tool, um Pflanzenrezepturen strukturierter und gezielter aufzubauen. Sie hilft dir, energetische, funktionelle und konstitutionelle Aspekte zu berücksichtigen – ohne dich in unendlichen Möglichkeiten zu verlieren.

Wenn du neu im Formulieren bist, fang einfach mit einer 3er-Kombi an. Und denk daran: Auch wenige Pflanzen können viel bewirken, wenn sie klug kombiniert sind.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Entdecke mehr von Kräuter und Seele - Stefanie Lunz

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen

Cookie Consent mit Real Cookie Banner